"Denn ohne biografische Verknüpfung fehlt das echte Wissen zu Rassismus und Antisemitismus in der Gesellschaft, das für eine wehrhafte Demokratie notwendig – wenn sie nicht sogar von ihm abhängig ist. Ohne diesen Zugang verharrt man beinahe in einer ethisch-moralischen Empörung über die politische Entwicklung, erlebt aber nicht die existenzielle Dringlichkeit, um tiefgreifende Maßnahmen durchzusetzen."
30 Jahre 1989. Der
Publizist und Ex-„Handelsblatt“-Herausgeber Gabor Steingart spricht über seinen
ungarischen Vater, seine ostdeutsche Mutter und den Rechtsruck in Europa.
Gabor Steingart mag die
zugespitzten Debatten, den amerikanischen Stil: „Wer eine prononcierte Meinung
hat, muss mit Gegenwind rechnen.“ Seit seinem Aus beim „Handelsblatt“ baut der
streitlustige Journalist sein eigenes Medienunternehmen „Media Pioneer“ auf. Das Papierzeitalter sei
vorüber, sagt er. Und die Leserinnen und Leser wünschen sich heute Interaktion
und Teilhabe. Sein tägliches Morning Briefing und den Podcast versteht der
gebürtige Berliner als digitale Miniaturzeitung, bei der Meinungsvielfalt
abgebildet werden soll: Er ließ den österreichischen Ex-Bundeskanzler Sebastian
Kurz zu Wort kommen und trifft sich mit Linken-Politiker Gregor Gysi. Unser
Treffen in Berlin sollte erst vor der EU-Wahl stattfinden. Dass sich der Fall
der Berliner Mauer zum 30. Mal jährt, ist aber der
bessere Anlass, um mit Gabor Steingart über seine Herkunft und die deutsche und
ungarische Politik zu sprechen.
Sind Sie Viktor Orbán schon
begegnet, Herr Steingart?
Ja.
Vor drei, vier Jahren muss es gewesen sein.
Worüber haben Sie
gesprochen?
Wir haben uns über
die politische Lage ausgetauscht – es war kein richtiges Interview. Er hat mir
über die Botschaft in Berlin signalisiert, dass er mich treffen möchte. Orbán
spricht ein exzellentes Englisch.
Ich frage, weil viele nicht wissen: Ihr
Vater Imre kam als politischer Flüchtling von Ungarn nach Deutschland.
Ja. Mein
Vater gehörte zu den Beteiligten des Aufstands in Budapest 1956 gegen das
kommunistische Regime, der von den russischen Panzern zerschlagen wurde. Unsere
Familie stammt aus Győr, einer Industriestadt an der Raab. Mein Vater war
damals auch einer derjenigen, die bewaffnet waren. Im Zentrum von Budapest stürzten
sie die große Stalin-Büste vom Sockel.
Eine Scherbe der Stalin-Büste befindet sich hier bei mir im Studio.
Er hatte sie aufbewahrt?
Und als ich Vater wurde, hat er sie mir geschenkt.
Was bedeutete die Scherbe
für Sie?
Sie sollte mich
daran erinnern und dazu verpflichten, dass der Widerstand gegen autoritäre
Systeme nie ein Ende hat. Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt: Das war das
Motto meines Vaters. Und das ist auch meins.
Wie kam Ihr Vater in
Deutschland zurecht?
Er wurde
freundlich aufgenommen. „Asylbewerber“ war damals kein Schimpfwort in
Deutschland. Er kam ja wie die politischen Flüchtlinge der Solidarność-Bewegung und des Prager Frühlings
als katholisch geprägter Freiheitskämpfer – es gab keine Abstoßungsreaktionen
bei den Deutschen. Im Gegenteil, es bildeten sich sehr schnell sehr enge
Freundschaften. Mein Vater hat Sprachkurse besucht und Chemie studiert, hier in
Berlin an der Technischen Universität.
Er wurde dann Fabrikchef in
der Nähe von Fulda.
Das Werk in
Neuhof war nicht seine erste und letzte Station. Er hat seinen
Aufstieg in mehreren Städten gemacht. Deswegen mussten wir Berlin verlassen. Vom
Assistenten zum Werksleiter.
Das hat Ihren Ehrgeiz angestachelt.
„Unten sein, da will man nicht hin, wenn man eine Vorstellung hat, wo unten
ist“, haben Sie einmal gesagt.
Wir konnten ja dank
Willy Brandts Entspannungspolitik Anfang der Siebzigerjahre nach Ungarn fahren.
Ich habe die Behausung gesehen, in der mein Vater groß geworden ist: mit acht
Kindern in zwei Zimmern. Souterrain, wie man heute sagt – ich würde sagen:
Kellerwohnung. Mein Großvater war Nachtwächter. Viele Mahlzeiten zog er mit der
Angel aus der Donau. Ich durfte ihn in den Ferien begleiten. Mein Vater war der
Erste, der studiert hat.
Hat ihn die Politik in
Deutschland interessiert?
Er war interessiert,
hat sich aber nicht eingemischt. Er sah sich als Gast in Deutschland, auch noch
nach seiner Einbürgerung.
Prägend: die Stalin-Scherbe seines Vaters.
»Zwischen der alten und neuen Realität
fehlt bis heute ein ganzes Stück handfeste Kommunikation.«
Steingart sitzt im Garten seines Studios
in Charlottenburg. Jeden Morgen kommentiert er von hier aus das politische
Weltgeschehen. Früher tat er das als überzeugter – oder wie er sagt „gequälter“
– Nichtwähler. Vor der Bundestagswahl 2017 aber rief er zur Wahl auf. Mit der
rechtspopulistischen AfD sei in Deutschland ein Monster um die Volksparteien
entstanden: „Im
Bundestag wird eine Partei vertreten sein, die den Weltkriegssoldaten als
Helden und den Ausländer als Sündenbock betrachtet.“ Damit habe das
Parteiensystem keine Alternative, sondern eine Missgeburt hervorgebracht. Steingart
war überzeugt, dass eine Jamaika-Koalition Deutschland nicht ruinieren,
sondern beleben würde. Umso enttäuschter war er, als die Sondierungsgespräche
platzten.
Nach dem Streit in der Flüchtlingsfrage
und dem Rechtsruck: Wäre mit Jamaika die Stimmung in Deutschland besser
gewesen?
Jamaika
wäre in jedem Fall die demokratischere Koalition gewesen. Die Große wird ab
einem Zeitpunkt undemokratisch: Es tun sich zwei starke Parteien zusammen, die
eigentlich Antagonisten sein sollten, und sie bilden de facto ein Kartell gegen die
kleinen. Das ist in einer schwierigen Situation legitim, ja – aber nicht als
Dauerzustand. Das trägt Züge des Autoritären.
Für das Erstarken der Rechten seien wirtschaftliche
Ängste verantwortlich – diese Meinung hielt sich hartnäckig. Hat die Große
Koalition die kulturellen Ängste unterschätzt?
Man kann nicht Jahrzehnte
lang erzählen, Deutschland sei kein Einwanderungsland, und dann kommt plötzlich
alles anders. Die Menschen fürchten einen kulturellen Verlust. Genauer: den
Verlust ihrer bisher erlebten Realität. Zwischen der alten und neuen Realität
fehlt bis heute ein ganzes Stück handfeste Kommunikation. Es ist nicht die
Migration allein, die verunsichert. Es ist auch diese Unfähigkeit, offen über die
Gründe und Folgen zu sprechen.
Bei den Kindern unter sechs Jahren in
Deutschland haben vierzig Prozent mindestens ein Elternteil mit
Migrationshintergrund. In der Politik und in den Medien herrschen noch
monokulturelle Strukturen. So wurde doch versäumt, die sich verändernde
Gesellschaft abzubilden.
Deswegen müssen wir
von der deutschen Wirtschaft lernen. Dieses System ist – auch in den global
aktiven Unternehmen – kulturell durchlässig. Es herrscht ein multinationales
Denken – und die Herkunft verhindert nicht den Aufstieg. Kulturelle
Andersartigkeit kann ein Wettbewerbsvorteil sein. Die Politik unterschätzt
dieses Thema. Sie bearbeitet es nur rhetorisch.
Aber auch die sozialeMobilität in Deutschland ist katastrophal: Akademikerkinder
studieren dreimal häufiger, nur fünfzehn Prozent der Arbeiterkinder beenden ein
Studium. Warum tut sich Deutschland so schwer?
Wir haben es mit
einer politischen Erstarrung zu tun. Das meine ich mit rhetorischem Regieren.
Über jedes Thema wird gesprochen, in den Programmen stehen die wertvollsten Versprechungen
– der Rohstoff dieses Landes befindet sich in den Köpfen unserer Kinder, heißt
es doch immer wieder. Aber es fehlt die Energie, aus dem Sprechen heraus ein
Handeln abzuleiten.
Als habe man ihn zum Vorbild genommen,
sind viele EU-Länder auf den strikten Kurs von Ministerpräsident Viktor Orbán und seiner Fidesz-Partei
in Ungarn eingeschwenkt. Wie erklären Sie das?
Ich sehe Orbán
als einen Europäer, der in Konflikt mit der EU den Nationalstaat nicht
abstreifen will. Dass er in seiner Ungarnliebe auch undemokratische Mittel
wählt, steht außer Frage. Der Zweck heiligt diese Mittel, glaubt er. Die EU muss
hier klug und strikt reagieren, was leichter klingt, als es ist.
Mit einer Kleinstaaterei hätte Europa wirtschaftlich
keine Chance gegenüber den USA und China.
Deswegen glaube
ich nicht, dass alle EU-Kritiker die Kleinstaaterei betreiben werden. Die
ökonomische Rationalität schützt Europa: Polen, Tschechien, sie wissen ganz
genau, dass die Handelsgespräche mit den USA nicht auf nationalstaatlicher,
sondern auf EU-Ebene geführt werden. Auch Ungarn ist von ausländischen Investoren
abhängig. Die teils allergischen Abwehrreaktionen gegen die Moderne werden nicht
zurück ins Mittelalter führen.
Im Gespräch mit Gabor Steingart in Berlin.
Zurück zu Ihrem Vater: Wann trafen sich
Ihre Eltern in Deutschland?
Als mein Vater
mit dem Studium anfing, begegnete er relativ zügig einer emanzipierten Frau aus
dem Ostteil Berlins – auf einer Party in der Technischen Universität. Wenig später
wurde sie meine Mutter. Sie war sehr jung. Als ich geboren wurde, war sie achtzehn.
Sie trafen sich vor dem Mauerbau?
Ja. Berlin war
in vier Sektoren geteilt, aber noch nicht getrennt. Und in der Nacht vor dem Mauerbau
musste meine Mutter sich dann zwischen ihrer Mutter im Osten – mein Großvater
war im Krieg gefallen – und meinem Vater im Westen entscheiden.
Sie blieb in Westberlin.
Sie hatte ja
zwei gute Gründe: Sie liebte meinen Vater und sie liebte die Freiheit.
Aber war das nicht schwer für Ihre junge
Mutter?
Und wie. Das
ging auch nur mit dem Versprechen, dass mein Vater ihre Mutter herüberholen
würde. Was er wenig später auch tat. Er besorgte einen Fluchthelfer – die es in
Studentenkreisen nicht so selten gab –, der die geheimen Wege zwischen Ost und
West kannte. Mit gefälschten Papieren wurde meine Oma Hilde in den Westen
geholt, wo ihr neues Leben begann.
Und als 1989 die Mauer fiel?
Für jeden mit einer
ostdeutschen Biografie war das ein Moment, der größer als groß war. Ich arbeitete
als Reporter und war ohnehin in Berlin. Wir besaßen doch noch so viele Tanten,
Onkel, Schulfreunde meiner Mutter in Ostberlin: ein spektakuläres Wiedersehen.
Eine These: Ungarn, Ostdeutschland. Es
ist kein Zufall, dass diejenigen, die unter sozialistischen Diktaturen geprägt
worden sind, sich heute als demokratiefeindlich erweisen.
Die Wende in
Ungarn und Ostdeutschland hat die Bevölkerung doch selbst herbeigeführt; die
revolutionäre Energie kam von innen, nicht aus Amerika. Wir erleben heute viele
freiheitsliebende ostdeutsche Politikerinnen und Politiker – und die Mehrheit
der Ostdeutschen wählt nicht rechts. Nein, diese monokausale These teile ich
nicht.
In Ungarn sind alle oppositionellen Zeitungen
verschwunden. Macht Ihnen das Angst?
Angst? Keiner
meiner Aggregatzustände enthält dieses Gefühl.
Sie bleiben Optimist. Ihr Freund und
Kollege, der verstorbene Publizist Frank Schirrmacher, hatte ein weniger
zuversichtliches Bild von der Zukunft. Wie würde er heute reagieren?
Frank war wie
ein großer Bruder. Er verfiel nicht nur in apokalyptische Stimmung, er war auch
fröhlich und neugierig. Das hat uns verbunden. Wir hatten einmal den Plan, ein
Interview mit einem Menschenaffen zu führen, dem man die Gebärdensprache
beigebracht hatte. Dieser Affe – ein Bonobo – sei auf dem Stand eines Fünfjährigen,
schrieb der Forscher über sein Sprachexperiment. Frank und ich wären nach
Amerika gereist, um mit dem Bonobo zu kommunizieren. Aber der Forscher hat uns
das nicht erlaubt.
Was würde Schirrmacher heute tun?
Ich glaube, Frank
würde heute noch weniger schlafen. Diese Gegenwart hätte ihn inspiriert,
aufgewühlt, aufgeputscht und zu höchster Schaffenskraft getrieben.
Gabor Steingart, geboren 1962, war 20
Jahre beim „Spiegel“ mit Stationen in Leipzig, Bonn, Berlin und Washington D.C.
Ab 2010 „Handelsblatt“-Chefredakteur
sowie Geschäftsführer und Mitgesellschafter der Handelsblatt Media Group
(2013–2018). Sein kostenloses Morning Briefing gibt
es unter:www.gaborsteingart.com
Ein
Künstler ohne Galerievertretung ist den Museen und Kunstvereinen nicht viel
wert
Nur
wer sich auf dem Kunstmarkt durchsetzt, wird langfristig Erfolg haben - das ist
eine gültige Formel, weswegen sich die Künstler und Künstlerinnen gezwungen
sehen, sich rasch eine der begehrten Galerievertretungen zu sichern, statt nur eine
institutionelle Laufbahn anzustreben. Ohne Galerie fehlt nicht nur das Künstler-Management
für eine kontinuierliche Sichtbarkeit. Erst wer auf dem Kunstmarkt reüssiert,
wird für Ausstellungen in Institutionen relevant. Ohne Galerie ist ein Künstler
den Museen und Kunstvereinen nämlich leider nicht viel wert.
Die
Institutionen wollen daran beteiligt gewesen sein, wenn ein neuer Name auf dem
Markt entstanden ist, deswegen bevorzugen sie für ihr Programm die
Galeriekünstler. Es soll sogar Kuratoren und Kuratorinnen geben, die zuerst
nach der Galerie des Künstlers fragen, bevor sie sich das Werk anschauen und die
Ausstellungsvita durchlesen. Kein Scherz. Man braucht gar nicht viel zu reisen:
Die angesagte Galeriekunst wird für Gruppen- oder Soloshows bald an die Kunstvereine
und Museen ganz in der Nähe seines Wohnorts geliefert.
Und
keinen freut es mehr als den erfolgreichen Kunsthändler, wenn sein Plan sozusagen
wieder einmal aufgegangen ist, die Institutionen einen neuen Künstler seiner
Galerie zirkulieren lassen in Ausstellungen in von Steuergeldern betriebenen Kunstvereinen
und Museen – was dessen Marktwert zügig steigert – oft ohne klare Qualitätskriterien
benennen zu können. Davon profitieren nur ganz wenige Künstler und Künstlerinnen
– und die profiliertesten Galeristen. The winner takes it all, das gilt im
Kunstbetrieb mehr als woanders.
Die
Kunstkritik kann nicht viel dagegen ausrichten, als Korrektiv hat sie
ausgedient oder sie verbündet sich selbst mit den kommerziellen Tonangebern. Das
theorieaffine Kunstmagazin „Spike“ aus Berlin quartierte sich bei der Documenta
14 in Athen sogar direkt neben der renommiertesten Galerie ein, um sein neuestes
Heft zu präsentieren – und nicht etwa bei den austragenden Museen. Das war unmissverständlich
eine Verbeugung vor dem kommerziellen Kunstbetrieb. Seht her! Wer bestimmt unseren
Diskurs? Wer liefert unsere Künstler und Künstlerinnen? Der Markt.
Aber
vor allem die von öffentlicher Hand geförderten Institutionen sollten nicht Spekulationspartner
der Galeristen sein, um gemeinsam auf die materielle und immaterielle
Wertsteigerung eines Künstlers in der Zukunft zu setzen. Wo bleiben dabei ihre Unabhängigkeit
und ihr Bildungsauftrag?
Wie
gerne würde man hören, ein Museum habe die Werke eines Künstlers ohne Galerie direkt aus dem Atelier
angekauft, weil es an deren künstlerische Qualität und gesellschaftliche Relevanz
glaube. Das kommt kaum vor.
Man
könnte fast schon sagen, die öffentlichen Institutionen sind die Zuarbeiter der
Galerien geworden. Natürlich
sind sie – oft unterfinanziert – bei Transport- und Versicherungskosten abhängig
von Galerien und von privaten Leihgebern. Aber allein das ist nicht der Grund,
warum sie die erfolgsversprechenden Kunsthändler zwischenschalten. Es ist die
Deutungshoheit des Marktes und die Ausstrahlung des Kapitals, denen sie sich
ergeben. Und sie glauben dabei, sie hätten die Zügel weiter in der Hand.
Wenn
man das Kapital im institutionellen Feld aber derart gewähren lässt und dessen
Kraft adelt, schnappen die mit dem größten Kapital „den großen Häusern die
besten Ausstellungen weg“, wie das Kunstmagazin „Monopol“ stürmisch die private
Kunstsammlerin und Ausstellungsmacherin Julia Stoschek dafür lobte. Die ‚besten‘
Künstler und Künstlerinnen zu küren, haben die Institutionen dem Markt
überlassen; ihr Absegnen wirkt dabei fast nur noch als Sicherung für die Gewinnmaximierung
des Galeristen.
Das
aber ist kein Naturgesetz. Die Institutionen sollten mit Selbstermächtigung und
eigenem Entdeckergeist vorgehen und den Markt nicht komplett assimilieren. Umdenken
werden sie ohnehin müssen: Die attraktivsten Galerien für die Museen und
Kunstvereine sind heute nämlich diejenigen, die sich an den internationalen Messen
beteiligen. Nur scheitern die Galeristen ohne Kapital im Rücken an diesen teuren
Kunstmessen beim Versuch, auch den institutionellen Erwartungen zu entsprechen.
Die Museen und Kunstvereine werden mit kleinen, regional agierenden Galerien
arbeiten müssen, wenn sie nicht nur die ein paar Dutzend weltweit präsenten unterstützen
wollen - wenn sie nicht den internationalen Kunstmärkten gehorchen wollen.
Jan Kaps ist international präsent und zeigt aktuell Alan Michael
Köln. Einen
erstaunlichen Lauf hatte Jan Kaps in den letzten Jahren. In nur fünf Jahren
gelang es dem Kölner Galeristen, an den wichtigsten internationalen Kunstmessen
teilzunehmen. Auf der Nebensektion
„Statements“ der Art Basel war Kaps im Juni dieses Jahres, im Herbst wird er
zum ersten Mal bei einer Sektion der Pariser Fiac dabei sein. Auch bei der
Londoner Frieze wurde er zugelassen. Etwas
scheint der junge Galerist richtig zu machen. Nun eröffnet er sogar eine Dependance in Mexiko-Stadt. Für sein Künstlerprogramm bekommt
er großen Zuspruch. Das Improvisierte seiner Galerie wirkt charmant und
unkonventionell. Der Kunstmarkt liebt die jungen trendsetzenden Galerien.
Peppi
Bottrops gestische und geometrische Kohlebilder gehören zu Kaps’ Angebot; seine
Galerie vertritt den gegenständlichen Maler Tobias Spichtig, den Bildhauer
Jean-Marie Appriou und Schriftsteller Mark von Schlegell. Avantgardistisch
hätte man vielleicht früher zu ihnen gesagt, heute sagen manche „Cutting Edge
Art“. Die neuen richtungsweisenden Optiken und Grenzüberschreitungen.
In
seinen beiden Räumen zeigt Jan Kaps aktuell den
Maler Alan Michael. Für seine realistischen Bilder nutzt der Künstler (Jahrgang
1967) fotografische Vorlagen: London People in den Straßen sind darauf zu sehen.
Es gibt Bezüge auf Pop Art und historische Verknüpfungen. Schrift trifft auf gerasterte
Malerei, welche die Motive neu kontextualisiert. Auch Pop-Texte werden
kombiniert – in den leuchtenden Bildern entstehen erzählerische Sequenzen. Seine Konzeptvideos mit Found Footage spannen ebenso ein Netz von öffentlichen
sozialen Räumen und kulturellen und historischen Verweisen.
Für
den Glasgower Alan Michael ist es die erste Soloschau in der Galerie (Preise zwischen 8000 und 15000 Euro). Für Jan
Kaps gilt es jetzt, den Aufwind zu nutzen, um seine Galerie weiter zu
etablieren, ohne die schwierigen Kunstmärkte zu unterschätzen. Die
Investitionskosten steigen immer weiter, wenn man zu den Top-Messen geht. Nach
vielen Schließungen in den letzten Jahren ist seine Galerie wirklich die Erfolgsmeldung
aus Köln.
Text: Konstantin Alexiou
Zuerst erschienen in Kölnische Rundschau, 10.8.2018, S. 14.
Wissenschaftler stellen neue Seite über die Entwicklung der Kunstmesse vor
Köln. Digitale Datenbanken
sind ein hilfreiches Werkzeug. Nicht nur, um riesige Mengen von Daten
systematisch der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Sie können auch auf
bisher unerforschte Zusammenhänge hinweisen und einen Beitrag zur
wissenschaftlichen Recherche leisten.
Bei einem Symposium
an der Universität Köln wurde nun ein neues Online-Tool vorgestellt, das der
Internationalisierung des Kunstmarktes am Beispiel der Art Cologne nachgeht.
Initiatorin des im März 2017 gestarteten Projekts ist die Juniorprofessorin am
Kunsthistorischen Institut Nadine Oberste-Hetbleck. „Mapping the Art Market“,
den Kunstmarkt kartografieren, lautete der Titel der international besetzten
Tagung.
Wie hat sich die von
Hein Stünke und Rudolf Zwirner als Kölner Kunstmarkt ins Leben gerufene Art
Cologne entwickelt? Welche Galerien waren beteiligt? Anschaulich lässt sich das
im „Art Gallery GIS Cologne“ verfolgen und als Diagramm und Karte
visualisieren. Aus den ersten 30 Jahren der 1967 gegründeten Messe haben die
Kunsthistorikerin und ihr Team bisher über 5000 Datensätze erfasst. Die
Informationen kommen aus den Messekatalogen und vom Kölner Zentralarchiv ZADIK.
Die Ergebnisse: Bis
Anfang der 1980er Jahre waren ausländische Galerien in nur überschaubarer Zahl
an der Kunstmesse beteiligt. Neben der Kölner Galerien spielten die Münchner
früh eine Rolle. Interessant auch: 1983 war noch keine New Yorker Galerie
dabei; ein Jahr später aber bereits sieben.
In Zukunft sollen
Interviews mit Galeristen, und die Möglichkeit die Messekataloge als PDFs
einzusehen, die Datenbank ergänzen. Zudem werden die Kojenpreise aufgelistet.
Eingeladen
zum Launch waren Wissenschaftlerinnen wie Christina Bartosch von der Uni Wien -
und Catherine Dossin: Sie entwickelt eine Datenbank über den französischen
Markt und historische Ausstellungen mit Künstlerinnen.
Bei der Gesprächsrunde
ging es um Fragen zum Copyright von Abbildungen, und der nicht immer einfachen
Finanzierung der Projekte. Einig war man sich, dass die Datenbanken nur eine
quantitative, keine qualitative Forschung leisten können. Für die digitale
Archivierung der Kunstgeschichte sind sie ohne Frage relevant. Denn ein
wichtiger Teil der Kunstgeschichte ist nun mal die Marktgeschichte.
Galerist
Julian Sander zeigt Fotografien von Sean Hemmerle
Köln. Frontal
abgelichtet hat er sie – ganz ohne Anweisungen, nur so, wie sie sich selbst
präsentieren wollten. Es sind die normalen Menschen, die Sean Hemmerle in
Afghanistan und im Irak fotografiert hat. In den Jahren 2002 und 2003 bereiste der
Amerikaner beide Länder. Nach den Terroranschlägen des 11. Septembers, die er
ebenfalls dokumentiert hatte, und die USA zum Anlass nahmen, in den Irak
einzumarschieren, wollte der Fotograf der anderen Seite ein Gesicht geben: den
Unschuldigen, ihrem Alltag, ihrem Selbstverständnis. In ihrer gewohnten
Umgebung zeigen sie sich selbstbewusst, oder aber auch um Würde ringend in
zerstörten Gegenden. Im Ganzkörperporträt und in schwarz-weiß aufgenommen sind
Sean Hemmerles Fotografien unmissverständlich eine Referenz auf August Sanders
Werkserie „Menschen des 20. Jahrhunderts“. Für die hatte der einflussreiche
deutsche Fotograf umfangreich seine Typologie der Berufsgruppen angelegt. Auch
Hemmerle markiert seine Porträtierten mit ihrer Tätigkeit.
Geboren
1966 in Arizona, hat Sean Hemmerle in den Achtzigerjahren selbst bei der
US-Army gedient, einen Namen machte er sich zunächst als Fotograf
zeitgenössischer Architektur und Publizist. Seine Werke befinden sich heute in
der Sammlung des Museum of Modern Art in New York.
Dem aktuellen Präsidenten gewidmet
„Er hat August
Sanders Werk genau studiert, es regelrecht aufgesogen“, erzählt sein Galerist
Julian Sander, der die Fotografien im Moment ausstellt. Hemmerles Bilder seien ein „Fuck you!“ an die damalige
Bush-Regierung gewesen. Man konnte sich ja nicht vorstellen, dass es einen noch
fürchterlicheren Präsidenten geben würde – jetzt sei es dem aktuellen gewidmet,
zitiert er den bei New York lebenden Fotografen. Einen einzelnen Abzug
bietet Sander für 2500 Euro an, ein Block aus fünf mal fünf Porträts kostet
58000 Euro.
Im
vorletzten Jahr hatte der Galerist, der ein Urenkel August Sanders ist, sein
Geschäft von Bonn nach Köln in das Gebäude der Sander-Stiftung verlegt:
„International weiß man mich jetzt besser zu verorten“, so sein bisheriges
Fazit. In diesem Jahr nahm Julian Sander zum ersten Mal an der Art Cologne
teil, auch dort präsentierte er Arbeiten von Sean Hemmerle.
Eine
Publikation zu dessen August Sander-Hommage, die an den Beginn unseres
Jahrtausends mit Krieg und Terror eindrucksvoll, nicht reißerisch, erinnert – und
die wie die Ausstellung den Titel „Them“ trägt – , kann in der Galerie und im
Buchhandel für 39,90 Euro erworben werden.
Bis
19.5., geöffnet Di bis Fr 12 – 18 Uhr, Sa 12 – 16 Uhr, Cäcilienstraße 48.
Text: Konstantin Alexiou, zuerst erschienen in Kölnische Rundschau, 1.5.2018, S. 9
Foto: Sean Hemmerle, aus der Serie “Them”, Quelle: Galerie Julian Sander
with an exhibition of new works by New York artist Egan Frantz.
Saskia
Draxler and Christian Nagel are pleased to announce the opening of
Nagel Draxler’s new premises in Elisenstraße 4-6 in Cologne.
The
gallery was founded by Christian Nagel in Cologne in 1990 and represents
artists including Kader Attia, Heimo Zobernig, Martha Rosler, Andrea
Fraser, Mark Dion, Joëlle Tuerlinckx, Stephan Dillemuth, Anna Fasshauer
and Luke Willis Thompson. Currently we run two gallery spaces at
Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin. In recent years Cologne activities of
Nagel Draxler offered two to three exhibitions per year in temporarily
rented spaces. In addition, the gallery runs the project space „Travel
Agency” (Diko Reisen, Komödienstraße 48 in Cologne), which will be
continued.
By coming back with a permanent gallery
space in Cologne, we acknowledge a decade long resurgence of the city as
a strong art world center. Today Cologne and Berlin are the two most
important places for art in Germany. Along with the established
generation of galleries, a younger scene is growing in Cologne. The
revival of the iconic avant-garde fair Art Cologne brings the world’s
most important players of the art market to the Rhineland every April.
Here you can also find a uniquely strong network of brilliant
institutions such as Museum Ludwig Cologne, K21 Düsseldorf, Museum
Abteiberg Mönchen Gladbach, Kunstmuseum Bonn,…a.o., as well as a very
lively ‘Kunstverein’-culture of international importance.
Similarly
to Nagel Draxler’s two Berlin spaces, the new premises in Cologne will
be designed by Roger Bundschuh Architects (who are currently building
the new Berlin headquarters of Suhrkamp Publishing House).
Our
first opening will take place on April 18th, 2018 with an exhibition of
new works by New York artist Egan Frantz. On May 25th, we will present
Martha Rosler with the exhibition “1981: The year the future began“,
where the artist examines the geopolitical consequences of US foreign
policy commenced by the Reagan administration.
Galerist Thomas Rehbein verspricht
sich neue Sammler von der Art Düsseldorf
Köln. Euphorisch klingt Thomas Rehbeinnicht gerade, wenn es um seine Bilanz auf der neuen Art Berlin Mitte September
geht. So richtig will der Kölner Galerist aber nicht mit der Sprache
herausrücken. „Sagen wir mal so“, sagt er: Die Hauptstadt sei nun mal ein
schwieriger Markt für Kunst. Man bekomme dort die Aufmerksamkeit der Kuratoren
– die Kaufkraft aber sitze nach wie vor im Rheinland.
Ein bisschen
schien es auch so, dass
die Berliner Messe – eine Kooperation mit der Art Cologne – über Nacht
aus dem
Boden gestampft wurde, damit die Koelnmesse sich bereits jetzt als
verbündet
positioniert gegen die drohende Konkurrenz im Rheinland durch die neue Art Düsseldorf; obschon sich Art-Cologne-Chef Daniel Hug mit
Berlin schon länger in Verhandlung für eine gemeinsame Messe
befunden
haben soll. Ob sie eine Zukunft hat, bleibt zu bezweifeln, fast zu
konventionell fiel sie für die Kunsthauptstadt aus, kaum
außereuropäische
Galerien waren beteiligt.
Thomas Rehbein will auch der Art
Düsseldorf eine Chance geben – an der Messe ist mit 25,1 Prozent die Schweizer Gesellschaft MCH
beteiligt, die Mutterfirma der Art Basel, der weltweit wichtigsten Messe. Dass
sie mit ihrer Ausstellerliste bereits jetzt Strahlkraft besitzt und die Art
Berlin in den Schatten stellt, überrascht also nicht: Acht New Yorker Galerien,
darunter der Großgalerist David Zwirner, werden in Düsseldorf dabei sein,
außerdem internationale junge Galerien, und klug ausgewählte Kölner und
Düsseldorfer wie Hans und Max Mayer. Insgesamt nur 80 Geschäfte – klein, aber
fein.
In seinem Geschäft präsentiert
Thomas Rehbein gerade eine Ausstellung mit Pauline M’barek (Jahrgang 1979). Die
Künstlerin, die in Hamburg und an der Kunsthochschule für Medien in Köln
studierte, untersucht unsere taktile und optische Wahrnehmung und wie sie in
Material übersetzt werden kann. Ihre tiefen Eingrabungen am Strand konserviert
M’barek mit Gips: Es entstehen organische Skulpturen umhüllt von feinkörnigem Sand
und Muschelresten – anmutig sind sie im Ausstellungsraum verteilt. Eine
vielversprechende Künstlerin, sagt Rehbein, die auch mit Video arbeitet und
bereits mehrfach ausgezeichnet wurde. Ihre Arbeiten bietet er für 1.500 bis 5.200
Euro an.
Internationalität allein sei nicht
ausschlaggebend, dämpft der Galerist jegliche voreiligen Schlüsse über die Art
Düsseldorf ab. Die MCH Group betreibe gutes Marketing, ob es sich für die
rheinischen Galeristen aber auch finanziell niederschlagen werde, solle man
lieber erst abwarten.
Bald wird man wissen, ob die neue
Messe im Rheinland den kommerziellen Erfolg hat, oder ob es für die
internationalen Galerien “einmal und nie wieder” heißt. Mit dem
hochkarätigen Programm stehen die Vorzeichen jedenfalls optimal.
Langfristig
würde sie der Art Cologne schaden, auch wenn die im Frühjahr stattfindet
– das
weiß auch Rehbein. Noch tut er eine Bedrohung jedoch als Spekulation ab.
Die
Art Cologne, an der er selbst jedes Jahr teilnimmt, sei eine
traditionsreiche Marke, die nicht so leicht zu erschüttern sei. Und er
fügt hinzu: „Wir
müssen uns professionell verhalten und neue Sammler generieren, um das
Rheinland weiter zu stärken.“
„Relikte“,
Thomas Rehbein Galerie, bis 25. November 2017, geöffnet Di
bis Fr 11-13 Uhr und 14-18 Uhr, Sa 11-16 Uhr, Aachener Straße 5, 50674 Köln.
Art
Düsseldorf, 17. bis 19. November 2017, Preview und Opening am 16. November, Areal Böhler, Hansaallee 321, 40549 Düsseldorf.
Text: Konstantin Alexiou
Abbildung: Ausstellungsansicht Pauline M’barek, Foto: Simon Vogel, Quelle: Thomas Rehbein Galerie.
Kölner und Düsseldorfer Galerien
begehen mit „DC Open“ den Saisonstart
Köln. Zum neunten Mal startete am Abend
„DC Open“, das gemeinsame Wochenende von rund 40 Kölner und Düsseldorfer
Galerien - gleichzeitig wird damit der Saisonstart in der rheinischen
Kunstszene eingeläutet. Und wie immer gilt es für die Galeristen, ihr
vielleicht attraktivstes Angebot des Jahres zu offerieren: Die Eröffnungen im
September zählen bekanntlich zu den Highlights im Rheinland und locken viele
Kunstliebhaber (und hoffentlich auch Sammlernachwuchs) in die Läden.
Diesmal lohnt sich ausnahmsweise als
erstes ein Blick nach Düsseldorf: Die legendäre
Galerie Konrad Fischer, die die gesamte Region geprägt hat, feiert mit einem Rückblick nämlich ihr 50. Jubiläum. In der Ackerstraße im Stadtteil Flingern hat Galerist Rupert
Pfab größere Räume bezogen und weiht sie mit Bogomir Ecker
ein. Der Bildhauer und Installationskünstler präsentiert Objekte, die Sehen und Hören
ansprechen und denen naturwissenschaftliche Überlegungen zugrunde liegen. Mit
seiner Installation von 1988 hat Ecker gewissermaßen unsere überbordende
technologische Gegenwart vorausgeahnt. Preise zwischen 20.000 und 200.000,- Euro
(bis 4.11.).
Um die Ecke in der Birkenstraße
zeigt die Düsseldorfer Galeristin und DC Open-Mitbegründerin Linn Lühn
reduzierte quadratische Malereien und damit korrespondierende Fotografien von
Johannes Wohnseifer. Ihm geht es dabei um Blickverweigerungen; auch macht er
den Bildträger selbst zum Thema (Preise: 3.500 bis 14.000 Euro, bis 14.10.).
Jetzt der lohnende Blick nach Köln:
Der Kunsthandel Michael Werner präsentiert neue Bilder des zuletzt mit
amerikanischen Retrospektiven gekrönten Markus Lüpertz. Es ging ihm bei seiner
Malerei immer nur um die Malerei selbst - um Farbe, Form, Komposition - ,
zitiert die Galerie ihren streitbaren Malerfürsten, Inhalte seien in seinen
Werken nicht von Belang. Schon gar nicht formuliere er irgendwelche politischen
Ansprüche. Bei Werner sind daher stille Arrangements mit mythologischen Figuren
wie Orpheus und Eurydike in Mischtechniken zu sehen. Die Preise liegen
zwischen 60.000 und 190.000 Euro (bis 28.10.).
Bei Martin Kudlek in der
Schaafenstraße weiß man gar nicht, ob gerade auf- oder abgebaut wird: Einen
Baucontainer mit Schutt hat Franz Burkhardt selbst hergestellt und in den
Galerieräumen installiert. In dieser inszenierten Umbruchsituation stellt der
Künstler Bleistiftzeichnungen mit erotischen Motiven aus. Inspirieren ließ er
sich dabei von Abbildungen alter Bücher und aus Erotikmagazinen der 50er und
60er Jahre - humorvoll kommentiert hängen die Blätter in einer dichten
Salonpräsentation. Kostenpunkt: ab 1.400 Euro. Laufzeit bis 21.10.
Im Kölner Norden hat das Duo Warhus
Rittershaus seinen Stammkünstler Ben Cottrell zu dessen vierter
Einzelausstellung in die Galerie eingeladen. Diesmal bespielt der Brite
zusätzlich den Projektraum des Galerienhauses An der Schanz und entwickelt ein
Gesamtkunstwerk aus Installation und Collage, um seine Lieblingsthemen
Okkultismus, Mystizismus und die Verehrung des Weiblichen in den Raum zu
öffnen. Eine seiner Collagen auf Leinwand von 2015 wird für 9.000 Euro angeboten
(bis 21.10).
Art Berlin verspricht Umsatz
Markus Lüttgen sitzt mit der Galerie
seit einiger Zeit in der Elisenstraße am Appellhofplatz und eröffnete heute mit seinem
Künstler David Jablonowski. Dessen aufgetürmte Tech-Installationen untersuchen
die Mechanismen unserer (visuellen) Kommunikation (bis 28.10).
Einige Kölner Galeristen bereiten
sich in diesen Tagen auf die in der nächsten Woche beginnende Art Berlin vor.
Die neue Berliner Messe ist eine Kooperation mit der Kölnmesse und verspricht,
eine einträgliche Veranstaltung in der Hauptstadt zu werden. Ob das am schwierigen
Standort Berlin gelingt, bleibt abzuwarten. Den Galeristen wäre
es zu wünschen, denn in fast jeder Woche meldet der internationale Kunsthandel neue
Galerieschließungen.
DC
Open, Öffnungszeiten: Sa 12-20 Uhr, So 12-18 Uhr.
„Okey Dokey“ - das soll der Lieblingsspruch des
Düsseldorfer Galeristen Konrad Fischer gewesen sein und schmückt nun als Name
die neue Parallelveranstaltung zu DC Open. Das Konzept: Neun junge Galeristen
aus Köln und Düsseldorf laden internationale Kollegen ein, die mit einer
Kuratorin entscheiden, welche ihrer Künstler sie hier zeigen: Die gastgebenden
Geschäfte aus Köln sind u.a. Jan Kaps, DREI, Ginerva Gambino, aus Düsseldorf
u.a. Max Mayer und Lucas Hirsch. Aus dem Ausland gekommen sind: Miguel Abreu
Gallery, New York, Park View, Los Angeles, Édouard Montassut, Paris u.a.
Weitere Infos unter: www.okey-dokey.show
Text: Konstantin Alexiou, am 9./10. September erschienen in der Kölnischen Rundschau, S.43
Köln. „Angry
Boys“ heißt die laufende Ausstellung der Galerie Rompone im Belgischen
Viertel – 15 internationale männliche Künstler versammeln sich hier zu
einem Abriss von Stilweisen und künstlerischen Interpretationen. Damit
markiert Galeristin Claudia Cosmo ein Pendant zu ihrer im letzten Jahr
kuratierten Gruppenausstellung „Der Flug der Königinnen“, bei der
ausschließlich weibliche Künstlerinnen über die immer noch geringe Rolle
von Akteurinnen in der Kunstwelt sinnierten.
Als erstes springen
zwei Werke des prominenten Enfant terrible Jonathan Meese ins Auge. Sein
blasses Pferdewesen - versehen mit einem typisch zusammengesponnenen
Nonsense-Titel - hat der „Kunstdiktator“ dick aus der Tube ausgedrückt
und verspachtelt (Kostenpunkt für die Meeses jeweils 16.000 Euro).
Der
Niederländer Wouter van Riessen porträtiert den aufgrund seiner
deformierten Gliedmaßen als „Elefantenmensch“ bezeichneten Joseph
Merrick in Acryl auf Holz. Surrealistische Verschmelzungen von Möbeln
mit weiblichen Körperteilen zeigt der Italiener Giuliano Sale. Es gibt
temperamentvolle Zeichnungen des Autodidakten Michele Bubacco, glasierte
Keramiken des Kölners Bernd Hoffmann und farbige geometrische
Abstraktionen in Mischtechnik von Timo Behn. Die Preise liegen zwischen
400 und 2600 Euro.
Kleinteilige Präsentation
Mit „Rompone“ will Claudia Cosmo für einen „Bruch“
mit Erwartungen und neumodischen Kunsttrends einstehen. Der Name ihrer
Galerie ist aus dem Italienischen entlehnt. Keine digitalen Spielereien
oder kopflastige Konzeptkunst, so das Credo, sondern klassische
organische Kunst in den traditionellen Gattungen Malerei, Skulptur und
Zeichnung.
In der Brüsseler Straße ist die deutsch-italienische
Galeristin und Journalistin Cosmo seit 2016, gegründet hat sie ihren
Laden 2013. „Die Arbeit als Galeristin ist herausfordernd!“ sagt sie.
Mittlerweile habe sie aber einige deutsche und italienische Sammler, die
sich für ihr Programm interessieren.
Ihre 15 wilden Jungs zeigen
eine durchaus turbulente, hier mal mehr, dort mal weniger handwerklich
gelungene Vielfalt von Stilen, die sich letztendlich um das
Porträt herum arrangiert. Eigensinnige Mannsbilder gibt es in dieser
kleinteiligen Präsentation einige zu entdecken.
Bis 12.8., geöffnet Fr 14-19 Uhr, Sa 13-17 Uhr und nach Vereinbarung, Brüsseler Straße 31.
Text: Konstantin Alexiou
Zuerst erschienen in Kölnische Rundschau, 18.07.2017, S.12.
Foto: Photography Jan Bauer / Bureau Jonathan Meese